Das ist der junge Kaiser Karl V.. Er wurde 1500 geboren und nach seinem Großvater, dem burgundischen Herzog Karl dem Kühnen benannt. Hier ist er ungefähr 20 Jahre alt. Achten Sie auf die Kette des Ritterordens vom Goldenen Vlies, die er um den Hals trägt. Wir haben sie auch schon bei Lodewijk van Gruuthuse gesehen.
5 Jahre früher, am 18. April 1515, fand der feierliche Einzug von Prinz „Karl von Habsburg“, wie er damals noch genannt wurde, in Brügge statt. Es wurde ein spektakuläres Ereignis mit nachgespielten Szenen, eigens zu diesem Zweck errichteten provisorischen Konstruktionen und viel Trubel. Die Stadt forderte den jungen Fürsten bei dieser Gelegenheit auch dazu auf, sie auf ihrem Weg zu einer neuen Blütezeit zu unterstützen.
In der burgundischen Zeit waren Spektakel dieser Art, sowie andere, nachhaltigere Zeichen von Prunk und Pracht groß in Mode. Der königliche Hof, die Stadtverwaltung, reiche Vereinigungen wie Gilden und Zünfte, aber auch Bürger der Stadt beteiligten sich mit großer Begeisterung daran. In diesem Saal sehen Sie Beispiele dieser Lebensart wie u. a. die Bleiglasfenster aus der Kapelle der Brügger Maler- und Glaserzunft in der Zilverstraat und die Skulptur des heiligen Michaels, die für die Gilde der Fechter und Hellebardenträger angefertigt wurde.
Machthaber ließen sich gern von den besten Malern und Bildhauern porträtieren, um diese Bildnisse dann als offizielle Porträts unters Volk zu bringen. Die Büste von Karl ist ein schönes Beispiel dafür. Es sind mehrere Exemplare von diesem Bildnis bekannt. Sie unterscheiden sich nur wenig voneinander und sind in verschiedenen Städten zu finden. Das Original stammt möglicherweise von dem deutschen Künstler Conrad Meit, den Karls Tante und Erzieherin Margarete von Österreich in Mechelen als Hofkünstler eingestellt hatte.
Das Brügger Exemplar wurde mehrmals restauriert. Nur der Kopf aus Terrakotta stammt noch aus dem 16. Jahrhundert. Als die Société Archéologique de Bruges 1882 die Büste erhielt, dachte man noch, sie stelle Karls Vater, den burgundischen Herzog Philipp den Schönen dar.