Ende des 18. und Anfang des 19. Jahrhunderts erreichte die Malerei in Brügge einen neuen Höhepunkt. Die Brügger Akademie, damals eine der besten des Landes, spielte eine Vorreiterrolle bei der Verbreitung des Neoklassizismus. Hier studierten mehrere Künstler, die ihre Ausbildung im Ausland vollendeten und danach international den Durchbruch schafften.
Hierfür ist Joseph-Benoît Suvée zweifellos das erfolgreichste Beispiel. Der Brügger machte in Paris und Rom eine steile Karriere. Noch vor Jacques-Louis David – der französischen Galionsfigur des Neoklassizismus – bekam er den Prix de Rome und wurde sogar Direktor der renommierten Académie de France in Rom.
Der Neoklassizismus kennzeichnet sich durch Ausgewogenheit im Aufbau, eine Dominanz der Zeichnung gegenüber der Farbe und größte Bravour in der Ausführung. Der Stil ist im Allgemeinen kühl, statisch und skulptural. Die bevorzugten Genres der Neoklassizisten sind das Porträt und das Historienbild mit Themen aus der Antike.
Laut einer Erzählung des römischen Schriftstellers Valerius Maximus wurde die Vestalin Tuccia fälschlich der Unkeuschheit beschuldigt. Mit der Hilfe der Göttin Vesta beweist sie ihre Unschuld, indem sie Wasser in einem Sieb vom Tiber bis zum Tempel der Vesta trägt. Die Dramatik – achten Sie auf Tuccias feuchte, rote Augen – wird durch die besorgten Blicke der Figuren auf der linken Seite verstärkt.
Einer antiken Legende nach entstand die Zeichenkunst, als Dibutades in der Töpferwerkstatt ihres Vaters den Schatten ihres Geliebten an die Wand zeichnete. Dieser ging auf eine lange Reise, und so würde sie seine Gesichtszüge nicht vergessen.
Suvée schenkte dieses Meisterwerk des Neoklassizismus der Brügger Akademie als Dank für die Ausbildung, die er dort erhalten hatte.
Zum Dank für die Ausbildung, die er in seiner Jugend genossen hatte, schenkt Joseph-Benoît Suvée 1799 dieses Gemälde der Brügger Akademie. Zu dieser Zeit ist er bereits ein gefeierter Künstler von internationalem Renommee.
Es handelt sich um ein herausragendes Meisterwerk des Neoklassizismus. Beachten Sie die detaillierte Wiedergabe der Gewänder, die an die Antike erinnern. Die ausgewogene Komposition, die sich aus Diagonalen zusammensetzt. Die gedämpften Farben. Die kraftvolle, schlichte und bühnenhafte Ausstattung. Das Spiel aus Hell und Dunkel.
Dibutades oder Die Erfindung der Zeichenkunst ist der Titel dieses Werks. Dahinter verbirgt sich eine Geschichte aus der griechisch-römischen Antike, der Epoche, auf die man im Neoklassizismus häufig zurückgreift. Dibutades ist die Tochter eines korinthischen Töpfers. Eines Tages erfährt sie, dass ihr Geliebter für lange Zeit auf Reisen geht. Um seine Gesichtszüge nicht zu vergessen, zeichnet sie die Umrisse seines Schattenbildes auf die Wand in der Werkstatt ihres Vaters. Genau diese Szene ist hier zu sehen: die Geburt der Zeichenkunst.
Wie auch viele andere Maler liebte Suvée diese Geschichte und malte und zeichnete sie mehrfach.
Neben den altniederländischen Meistern ist die Malerei des Neoklassizismus ein zweiter Schwerpunkt der Museumssammlung. Viele der vertretenen Maler haben eine enge Verbindung zu Brügge. Was es damit auf sich hat, erfahren Sie, wenn Sie die grüne Taste drücken.
Seine subtile Maltechnik und seine scharfe psychologische Beobachtungsgabe machten Suvée zu einem gefeierten Porträtisten. In diesem Spätwerk, mit dem er der militärischen Laufbahn von Adjutant-Kommandant de Travenet die Ehre erweist, zeigt er sich auf dem Höhepunkt seines Könnens. Auf der Karte ist „Metz“ zu lesen, ein Hinweis auf de Travenets Kämpfe an der Ostfront und die Belagerung Luxemburgs im Jahr 1795 während der französischen Revolutionskriege.
Suvée porträtiert hier seinen 75-jährigen Schwiegervater bei der Arbeit. Jean Rameau war Goldschmied an der Place du Carrousel in Paris. Er blickt beim Skizzieren auf; möglicherweise zeichnet er gerade die Terrakotta-Skulptur, die so detailgenau wiedergegeben ist. Dies ist kein Zufall, denn das Meisterstück des Goldschmieds war eine Darstellung der Vestalischen Jungfrauen, die das heilige Feuer tragen.
Der Brügger Duvivier porträtierte die Pariser Aristokratenfamilie Villers in den turbulenten Jahren der französischen Revolution. Das zentrale Thema ist hier die Treue, symbolisiert durch das Medaillon, in dem eine Frau einen Hund streichelt und mit Lorbeeren bekränzt – Treue innerhalb der Familie, aber auch die Treue eines Adligen zu seinem König und seiner Nation. Nur wenig später sollte die erlesene Welt der Porträtierten untergehen.
Suvée arbeitete wiederholt im Auftrag der angesehenen Brügger Familie Van Outryve. Hier porträtiert er Augustin, einen erfolgreichen Geschäftsmann, Reeder und Seeversicherer, der von seiner Tante einen florierenden Handel mit Stoffen, Keramik, Tee und Tabak übernommen hatte. Die Aufschriften Paris, Hollande, Allemagne auf den Schachteln verweisen auf die internationalen Verbindungen seiner Firma, die damals eines der wichtigsten Brügger Unternehmen war.
Legillon spezialisierte sich als Landschafts- und Tiermaler. In diesem bukolischen Stallinterieur waschen zwei Frauen, unterstützt von einem kleinen Jungen, Wäsche an einem Brunnen. Neben ihnen melkt eine Frau eine Kuh. Ein Mann mit einem Bündel Holz auf dem Rücken verlässt den Stall. Der schattige Innenraum steht im Kontrast zur sonnenüberfluteten Berglandschaft im Hintergrund.
Dieses ungezwungene Pastellporträt entstand während Legillons Aufenthalt in Rom. Die Pastellmalerei war im 18. und 19. Jahrhundert sehr beliebt, vor allem bei Porträts, da sie es ermöglicht, „malerisch“ zu zeichnen. Nach seiner Reise nach Rom eröffnete Legillon in Brügge eine Kunstschule. Ab 1782 ließ er sich dauerhaft in Paris nieder, wo er, wie sein Freund Suvée, in die renommierte Académie royale aufgenommen wurde.
Dieses Gemälde würdigt Karl von Lothringen, Gouverneur der Südlichen Niederlande, als Kunstmäzen. Minerva, die römische Göttin der Weisheit, hält sein Porträt. Auch die Personifikationen von Malerei, Skulptur und Architektur sind zugegen, die letzte deutet auf eine Zeichnung der Poortersloge (Bürgerloge). Dort befand sich damals die Brügger Kunstakademie, deren Direktor De Visch war. Das Gemälde erhielt einen Ehrenplatz über dem Kamin in der Kunstkammer bzw. des Sitzungssaals.
Der Brügger Suvée ging mit zwanzig Jahren nach Paris. Acht Jahre später erhielt er, noch vor Jacques-Louis David, dem späteren Aushängeschild des Neoklassizismus, den Prix de Rome für Der Kampf von Mars und Minerva, das Werk, das er hier zeichnet. Nach einem feierlichen Empfang in seiner Geburtsstadt schenkte er der Brügger Akademie dieses Selbstporträt. Später wurde Suvée Direktor der Académie de France in Rom.
Suvée stammt aus Brügge und wird an der Brügger Akademie ausgebildet, einer der ältesten Kunstschulen in den südlichen Niederlanden. Sie genießt einen ausgezeichneten Ruf, und Suvée sollte sich sein Leben lang auf seine Jahre in Brügge berufen. Andere Maler, deren Werke Sie in diesem Raum sehen, werden ebenfalls an der Brügger Akademie ausgebildet und feiern anschließend Erfolge in ganz Europa.
So auch Joseph-Benoît Suvée. Mit 20 zieht er nach Paris, wo er 8 Jahre später den Prix de Rome gewinnt – und zwar mit der Arbeit, die er auf diesem Selbstporträt vorbereitet: Minervas Kampf gegen Mars! Bei dieser Gelegenheit übertrumpft Suvée sogar Jacques-Louis David, der später das große Aushängeschild des französischen Neoklassizismus werden sollte. In seiner Heimatstadt wird der Preisträger mit großem Pomp gefeiert. Aus Dankbarkeit schenkt Suvée dieses Selbstporträt der Brügger Akademie, die er in seiner Jugend besucht hatte.
Dank des Preises kann Suvée nach Italien reisen, um die Kunst der Antike, der Renaissance und des Barock studieren. Zurück in Paris wird er Lehrer an der berühmten Königlichen Akademie für Malerei und Bildhauerei. Einige Maler aus Brügge, deren Werke Sie hier sehen können, studierten bei ihm.
Ihr Stil ist neoklassizistisch. Neoklassizistische Kunst steht für Ausgewogenheit und klare Linienführung, sie ist kühl und auch etwas statisch. Wie Sie hier sehen können, bilden sich in der neoklassizistischen Malerei vor allem zwei Genres heraus: das Porträt und Historienbilder mit griechisch-römischen Bildmotiven. Auch Suvée wird ein vielgefragter Porträtist.
Landschaften mit antiken Ruinen sind typisch für den Neoklassizismus. Dieses Werk ist ein schönes Beispiel für ein Capriccio, eine fiktive Ruinenlandschaft. Es vereint Elemente, die in Wirklichkeit nicht zusammenstehen: rechts das Pantheon, links die Überreste des Tempels von Castor und Pollux und im Hintergrund das Kolosseum. De Cock kopiert hier ein Werk von Gian Paolo Panini, dem großen Capriccio-Spezialisten.
Paul de Cock war an der Brügger Akademie tätig, zunächst als Lehrer für Architektur, später als Direktor. 52 Jahre lang prägte er eine ganze Generation zukünftiger Maler und Architekten in Brügge. Das ovale Format, der Rahmen im Louis-seize-Stil und das Dreiviertelprofil dieses Porträts haben große Ähnlichkeit mit Suvées Selbstporträt. Beide Gemälde hingen in der Porträtgalerie der Akademie.