Dies ist das wahre Antlitz Christi. Es ist die Heilige Veronica, die uns das Bildnis sehen lässt. Als Jesus auf dem Weg nach Golgotha das Kreuz schleppte, wischte ihm Veronica Schweiß und Blut von seinem Gesicht, das dann auf wundersame Weise auf ihrem Tuch erschien. So wird es in der Legende erzählt.
Sie bewundern das Werk eines unbekannten Brügger Zeitgenossen von Hans Memling aus dem letzten Drittel des fünfzehten Jahrhunderts. Wie Memling erhielt auch der Meister der Ursulalegende, wie man den Anonymus auch nennt, Aufträge von unter anderem Kaufleuten aus Italien, die in Brügge weilten. Die Tafel gelangte sehr schnell nach Italien, in ein toskanisches Franziskanerkloster. Der Renaissancemaler Piero di Cosimo kopierte die Komposition.
Ähnich eindrucksvolle Christusbildnisse kennen wir auch von der Hand von Jan van Eyck und Hans Memling. Der Bildtypus geht auf ältere Ikonen aus Byzanz zurück. Das Antlitz Christi war ein auch bei Brügger Auftraggebern beliebtes Motiv. Solche Tafelbilder hingen in privaten Räumen, in denen man auch betete. Das Betrachten des Antlitzes von Christus, das übrigens keinerlei Spuren der Passion aufweist, vertiefte das Gebet.
Das Museum erwarb das Gemälde zu Beginn des Jahres 2019 aus Privatbesitz. Es ist in außergewöhnlich gutem Zustand bewahrt, wobei sich sowohl oben als auch unten Anstückungen befinden. Es ist überaus selten, dass Spitzenwerke der Flämischen Primitiven noch auf den Markt kommen und es ist noch seltener, dass diese dann von einem Museum in Flandern angekauft werden.