Groeningemuseum - Saal 7B

Groeningemuseum - Saal 7B

Groeningemuseum
  • Brügge und Venedig übten gegen Ende des 19. Jahrhunderts eine besondere Anziehungskraft auf Symbolisten wie William Degouve de Nuncques, Henri Le Sidaner und Fernand Khnopff aus. Die Symbolisten wollten der modernen, industrialisierten Sphäre entfliehen und befassten sich mit Fantasie, Spiritualität und einer höheren Dimension, die sich hinter der sichtbaren Realität verbirgt. Ihre Kunstwerke zeigen eine geheimnisvolle, verschleierte Welt, wie sie auch George Rodenbach in seinem beliebtem Roman Bruges-la-Morte (Das tote Brügge) beschreibt.

    Der Symbolismus und andere neue Kunstrichtungen wie Impressionismus und Pointillismus wurden in Brüssel von avantgardistischen Künstlergruppen wie Les XX und ihrer Nachfolgerin La Libre Esthétique propagiert. Sie organisierten Ausstellungen, Vorträge und Konzerte und veröffentlichten Zeitschriften.

    Zur selben Zeit entwickelte sich auch der Historismus. Edmond Van Hove, der bedeutendste Brügger Künstler seiner Generation, übernahm seinen Detailrealismus von den altniederländischen Meistern. Sein Werk umfasst Porträts, religiöse Werke und Allegorien.

  • Henri Le Sidaner malte dieses symbolische Gemälde, als er zum ersten Mal in Brügge war. Wie viele Künstler seiner Zeit geriet er in den Bann der geheimnisvollen und melancholischen Atmosphäre der Stadt. Der Kanal Lange Rei in der Abenddämmerung atmet Ruhe und Frieden. Der verlassene Kai steht im Kontrast zur intimen Atmosphäre der beleuchteten Häuser.

  • Le Sidaner fühlte sich im „Venedig des Nordens“ so wohl, dass er dort etwa ein Jahr lang an der Spiegelrei lebte. Gegenüber liegt die Spinolarei, die er in diesem Gemälde festhielt. Der Kanal mit dem vertäuten Kahn und der St.-Walburga-Kirche im Hintergrund sind in Nebel gehüllt. Menschen gibt es keine. Le Sidaners Brügger Stadtansichten fanden in Paris großen Anklang.

  • Khnopff bringt zwei rätselhafte Zeichnungen in einem vergoldeten Rahmen zusammen. Oben eine Pastellzeichnung mit einem Porträt seiner Schwester und Muse Marguerite. Sie streichelt den Mund einer Maske, die ein Geheimnis (secret) bewahren soll. Die Bleistiftzeichnung unten zeigt die Außenwand des Sankt-Jans-Hospitals, vor allem jedoch ihre Spiegelung (reflet) im Wasser. Für einen Symbolisten sind nicht die Dinge selbst wichtig, sondern ihre Widerspiegelungen.

    In den 1860er-Jahren verbringt Fernand Khnopff als Kind einige Jahre in Brügge. Damals atmet die Stadt Melancholie und wirkt leicht verschlafen – und das macht Eindruck auf den jungen Khnopff.

    Vierzig Jahre später entsteht dieses Werk, Secret-Reflet, zwei separate und sehr unterschiedliche Zeichnungen, die Khnopff in einem vergoldeten, rechteckigen Rahmen zusammenbringt. Die Bleistiftzeichnung unten zeigt die gotische Außenwand des mittelalterlichen Sint-Janshospitals, vor allem jedoch seine Spiegelung im Wasser des Flüsschens Reie. Eine Spiegelung heißt auf Französisch reflet. Khnopff ist ein symbolistischer Künstler: Nicht die Dinge selbst sind wichtig, sondern ihre Spiegelungen. Die Symbolik des Spiegels ist in der symbolistischen Kunst sehr beliebt.

    Die Pastellzeichnung oben ist ein Porträt von Khnopffs Muse, seiner Schwester Marguerite, die er sehr bewundert. Hier sieht Marguerite aus wie eine Priesterin. Sie streichelt und verschließt die Lippen einer Maske, die ihr ähnelt. Die Maske – oder vielleicht Marguerite selbst? – soll ein Geheimnis bewahren. Ein Geheimnis heißt auf Französisch secret. In dem, was nicht gesagt wird, nicht sichtbar ist, nicht sofort verständlich ist: darin liegt einem Symbolisten wie Khnopff zufolge die Essenz des Lebens.

    Doch worin besteht der Zusammenhang zwischen diesen beiden so unterschiedlichen Zeichnungen? Dieses Rätsel überlässt Fernand Khnopff ganz dem Betrachter. Sie dürfen Ihren Assoziationen also freien Lauf lassen.

  • Henry Van de Velde ist heute vor allem als Architekt und Designer bekannt, seine Karriere begann er jedoch als Maler. Sehr beeindruckt war er von Seurats Gemälde Ein Sonntagnachmittag auf der Insel La Grande Jatte. In diesem Porträt übernahm er dessen Pointillismus oder Punktierstil. Es zeigt vermutlich Henrys Bruder Laurent, bei dem er in Blankenberge wohnte, als er nach dem Tod ihrer Mutter an einer schweren Depression litt. Khnopff brings together two enigmatic drawings in a gilded frame. At the top is a pastel drawing: a portrait of his sister and muse Marguerite. She is stroking the mouth of a mask that will keep a secret. The pencil drawing beneath it depicts the side wall of the St John’s Hospital, but especially its reflection (reflet) in the water. For a Symbolist, the reflections of objects were more important than the things themselves.

  • Van Hove malte dieses melancholische Gemälde am Ende seiner Laufbahn. Die Farben sind wärmer, die Pinselführung spontaner als bei seinen früheren Werken. Am Abend ihres Lebens sitzt ein älteres Paar in einer hügeligen Landschaft. Ihre enge Verbundenheit wird durch ihren Händedruck symbolisiert. Die untergehende Sonne bekräftigt den allegorischen Tenor.

  • Diese ausdrucksstarke Gipsbüste stellt eine stumme Frau dar. Es ist eine der wenigen Skulpturen Chainayes, der sich vor allem als Journalist einen Namen machte. 1884 wurde sie auf der ersten Ausstellung von Les XX gezeigt, deren Mitglied er war. Bemerkenswert ist, dass die Büste nicht nur seine eigene Handschrift trägt, sondern auch die ihres Besitzers: seines guten Freundes und Bildhauerkollegen Jef Lambeaux.

  • James Ensor stellt seinen Freund Eugène Demolder, Schriftsteller und Kunstkritiker, wie auf einer mittelalterlichen Ikone als segnenden Heiligen dar. In den oberen Registern sehen wir Szenen aus der Leidensgeschichte Christi und die eigenwillige Kopie einer Tafel des deutschen Künstlers Stefan Lochner aus dem 15. Jahrhundert. Sowohl Demolder als auch Ensor waren in ihrer Zeit Gegenstand der Kritik – daher die Quälgeister links und rechts.

    Dieses Werk von James Ensor ähnelt einem Triptychon, allerdings im Hochformat. Der Mann am unteren Rand ist Eugène Demolder, Schriftsteller, Kunstkritiker und guter Freund des Malers. Demolder organisierte Ensors erste Einzelausstellung in Brüssel und schrieb auch das erste Buch über ihn. Ensor stellt seinen Freund hier frontal dar, wie einen segnenden Heiligen auf einer mittelalterlichen Ikone – daher der französische Titel dieses Werkes: Icône.

    Doch nicht nur der untere Teil, sondern das gesamte Werk kreist um Eugène Demolder. Er war ein Liebhaber mittelalterlicher Kunst, daher ahmte Ensor im oberen Teil auf eigensinnige Art und Weise ein Tafelbild des Kölner Malers Stefan Lochner aus dem 15. Jahrhundert nach. Lochner ist der bedeutendste Vertreter der Altkölner Malerei und den Altniederländern tributpflichtig.

    Eugène Demolder schrieb auch häufig über die Bibel und das Leben Christi – daher sind in der Mitte Szenen aus der Leidensgeschichte Christi zu sehen. Außerdem liebte Demolder satte Texturen und reiche Farben: Schauen Sie sich die leuchtenden Farbakzente auf diesem Tafelbild an. Und schließlich war Demolder zu Lebzeiten auch Gegenstand der Kritik, daher die beiden Dämonen unten links und rechts, von denen einer ihn anspuckt. Auch Ensor selbst fühlte sich lange Zeit unverstanden.

    Unten rechts lesen wir, dass James Ensor diese Tafel 1893 malte. Zu dem Zeitpunkt hatte er bereits viele seiner berühmten Gemälde von Masken geschaffen.

  • Menschliche Figuren repräsentieren „Geschichte“, „Zeit“ und „Legende“. „Geschichte“ entschlüsselt mit einer Lupe einen Text, „Zeit“ – mit einer Sanduhr und einer Ratte, die an einem Buch knabbert – zerreißt eine Urkunde, während hinter ihr die Brügger Ezelpoort brennt. „Legende“ notiert die Legende vom heiligen Isidor, dem Bauern hinter ihr, der betet, während an seiner Stelle ein Engel das Feld pflügt.

  • Dieses Selbstporträt lenkt die gesamte Aufmerksamkeit auf das frontal dargestellte Gesicht, das uns eindringlich und selbstbewusst ansieht. Van Hove war gerade mal 28 Jahre alt, als er dieses Werk malte. Die Kleidung, der Hintergrund – bis auf den weißen Kragen ist alles schwarz. Van Hoves ausgeprägter Detailrealismus erinnert an die altniederländischen Meister, daher wurde er „der moderne Memling“ genannt.

    Bei diesem Selbstporträt traf der Künstler eine klare Entscheidung: alle Aufmerksamkeit soll seinem frontal dargestellten Gesicht gelten. Der Rest, das heißt der Hintergrund und die Kleidung, ist bis auf den weißen Kragen schwarz, und es gibt keine Attribute.

    Edmond Van Hove blickt uns durchdringend und selbstbewusst an. 28 Jahre alt ist er, als er 1879 dieses sehr realistische und buchstäblich haarfeine Werk malt. Sehen Sie sich seine Augen und die Nase an, seinen Bart und seine Frisur. Van Hoves Realismus erinnert an die altniederländische Malerei. Ihn selbst hätte diese Parallele sicherlich gefreut, denn er hatte eine Vorliebe für seine Vorgänger aus dem 15. Jahrhundert. Sein Porträt erinnert sogar an ein Bildnis von Christus in Frontalansicht, eine Kopie nach Jan van Eyck, die sich in der Sammlung des Museums befindet.

    Edmond Van Hove studiert in Paris und wird der bedeutendste Brügger Künstler seiner Zeit. Man nennt ihn den „modernen Memling“, weil er bewusst Eigenschaften seiner spätmittelalterlichen Vorgänger übernimmt, etwa ihren Detailrealismus.

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  • Das Fin de Siècle
  • Der Kai
  • Boot auf dem Kanal (morgens)
  • Secret-Reflet
  • Lebensabend
  • Die Stumme
  • Icône. Porträt des Eugène Demolder
  • Historia – Tempus – Legenda
  • Selbstporträt

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