Im 16. Jahrhundert entstanden in Brügge zwei Künstlerdynastien, die bis ins 17. Jahrhundert hinein tätig waren: die Familien Claeissens und Blondeel-Pourbus. Die Claeissens dominierten den Kunstmarkt von Brügge mit allegorischen Kompositionen, deren Bedeutung manchmal schwer zu entschlüsseln ist.
Pieter Pourbus bildete sowohl seinen Sohn Frans I als auch seinen Enkel Frans II aus. Beide wurden außerhalb von Brügge erfolgreich. Frans II schaffte es mit seinen realistischen Porträts sogar an den französischen Hof und den der Erzherzöge Albrecht und Isabella. Von Letzteren fertigte er offizielle Staatsporträts an, die vielfach kopiert wurden und bis heute unser Bild von ihnen bestimmen.
In Antwerpen und weit darüber hinaus dominierte die Bruegel-Dynastie. Die Predigt Johannes des Täufers wurde von den Söhnen Pieter Bruegels I wiederholt auf hohem Niveau kopiert. Das Interesse an der Art und Weise, wie er Landschaften konzipierte, war groß, wie unter anderem Waldlandschaft mit Kühen und Ziegen von Roelandt Savery erkennen lässt.
Der persische König Kyros fiel in das Land der Massageten ein, nachdem ihre Königin Tomyris seinen Heiratsantrag abgelehnt hatte. Ihr Sohn wurde gefangen genommen und beging Selbstmord. In der finalen Schlacht wurde Kyros getötet. Die rachsüchtige Tomyris tauchte seinen Kopf in einen Krug voller Blut, damit er endlich seinen Blutdurst löschen könne. Diese Gerechtigkeitsszene entstand im Auftrag der Richter des Brügger Freiamts.
Der Stil des Antwerpener Porträtmalers Adriaen Key kennzeichnet sich durch einen ausgeprägten Realismus. Dieser Mann, vielleicht ein Gelehrter, trägt ein Barett, eine mit Fell besetzte Toga und hält ein Paar Handschuhe. Der weiße Mühlsteinkragen verleiht ihm nicht nur Status, sondern bringt auch sein Gesicht vor der schwarzen Kleidung zum Leuchten. Sein Erscheinungsbild entspricht dem zeitgenössischen flämischen Humanistenporträt.
Dieses wunderbare Porträt ist ein Frühwerk von Frans Pourbus II. Kurz darauf wurde er Hofmaler von Albrecht und Isabella und sein Stil formaler. Die lateinische Inschrift besagt, wer hier abgebildet ist: Petrus Ricardus. Die auf dem Tisch liegenden Bücher von Galenos und Hippokrates verraten etwas über seine Funktion: Er war Professor an der Universität Löwen, Stadtarzt von Gent und Arzt der Statthalter. Das Wappen trägt seinen Sinnspruch nil temere: nichts Unbedachtes.
1599/1600 wurde Frans Pourbus II, Enkel von Pieter Pourbus, von Erzherzog Albrecht und seiner Frau Isabella beauftragt, ihre offiziellen Porträts zu malen. Seine Staatsporträts wurden häufig kopiert, vor allem in kleinen, mobileren Büstenporträts wie hier. In den Originalversionen ist das Herrscherpaar als Ganzfigur, idealisiert, aber mit einem gewissen Realismus dargestellt. In höfischen Kreisen in ganz Europa genoss Pourbus als Porträtmaler hohes Ansehen.
Anlass dieses Werks war die Union von Brüssel, ein Abkommen, das einen vorübergehenden Frieden zwischen Spanien und den Niederlanden herbeiführte. Die Fragilität des Abkommens verdeutlichen die Figuren, die zu verhindern versuchen, dass der Wagen, auf dem Frieden thront, Waffen zermalmt. Vor dem Wagen knien die Siebzehn Provinzen der Niederlande, hinter ihm gehen die Brügger Stadträte und, in Rot, Bürgermeister Joris van Brakele.
Schauen Sie bei dieser überbordenden Tafel zunächst unter den von Eseln gezogenen Triumphwagen. Die Räder zermalmen dort Waffen. Vergeblich versuchen einige finstere Gestalten, etwa der liegende nackte Mann, dies zu verhindern. Auf dem Wagen sitzt unter anderem die Allegorie des Friedens. Sie hält einen Palmenzweig in der Hand.
Pieter Claeissens der Jüngere malte dieses Werk zwischen dem 9. Januar 1577 und dem 2. September 1578. Der Anlass war die sogenannte Union von Brüssel, ein Friedensabkommen, das Spanien und die Niederlande im Januar 1577 während der Religionskriege unterzeichneten. Der Triumphwagen fährt in Richtung der Siebzehn Provinzen, sprich der Niederlande, die hier durch 17 kniende Frauen verkörpert sind.
Über ihren Köpfen wird gekämpft. Der Frieden ist also immer noch fragil. Wer die Kämpfenden sind, verraten die lateinischen Wörter: Furor oder die Wut, Violentia oder die Gewalt und Discordia oder die Zwietracht. Die Gegner sind Ratio oder die Vernunft und Populus oder das Volk. Der dreisprachige Text am unteren Rand erläutert, was wir sehen.
Und wer sind die dreizehn Männer in zeitgenössischer Kleidung hinter dem Wagen? Dank einem erhalten gebliebenen Porträt erkennen wir zumindest den Mann, der vorneweg geht: der Brügger Bürgermeister Joris van Brakele, einer der Unterzeichner des Friedensabkommens. Die anderen Männer sind möglicherweise die zwölf Schöffen. Das Gemälde war vermutlich für das Brügger Rathaus bestimmt. Der Maler ließ sich für die Komposition von einem Stich inspirieren.
Wie wir heute wissen, war der Frieden nicht von Dauer. Der Achtzigjährige Krieg wurde schon bald fortgesetzt und sollte noch Jahrzehnte dauern.
Zahlreiche Heiligendarstellungen des 16. Jahrhunderts sind dem Kirchenvater Hieronymus gewidmet. Er war für seine Bibelübersetzung bekannt und wurde häufig in seinem Arbeitszimmer oder in einer Landschaft und in Gesellschaft eines Löwen dargestellt. Hier tut er Buße vor einem Kruzifix. Der Schädel gemahnt an die Vergänglichkeit. Als Symbol der Kontemplation war er ein Vorbild für die Humanisten.
Auf seiner Italienreise lernte Van Hemessen die Kunst der Renaissance kennen. Hier stützte er sich auf Raffaels Heilige Familie Franz I., die er im Schloss des französischen Königs in Fontainebleau sah. Van Hemessen verzichtete auf die übrigen Figuren aus Raffaels Komposition und lenkt so die gesamte Aufmerksamkeit auf das liebevolle Verhältnis von Mutter und Kind und die beeindruckende Landschaft, in der diese Ruhe auf der Flucht nach Ägypten dargestellt ist.
Im 16. Jahrhundert reisten flämische Künstler immer häufiger nach Italien, um die Antike und die Neuerungen der italienischen Renaissancekunst zu studieren, und wiederholt übernahmen sie auch Kompositionen italienischer Maler und Bildhauer. Dies gilt auch für diesen auferstandenen Christus von Willem Key, der eindeutig auf Michelangelos Skulptur aus dem Jahr 1519 aus der Kirche Santa Maria sopra Minerva in Rom zurückgeht.
Roelant Savery sorgte ab 1603 am Hof Rudolfs II. in Prag für Furore. Sein akribischer Mal- und Zeichenstil erinnert an Pieter Bruegel I. Die romantische Umgebung von Prag inspirierte ihn auch noch, nachdem er 1613 in die Niederlande zurückgekehrt war. In diesem Werk verknüpfte er sie mit seinem neuen Interesse an der Darstellung von Rindern.
Pieter Bruegels beliebte Gemälde wurden unmittelbar nach seinem Tod eifrig kopiert. Diese Kopie unterscheidet sich kaum vom Original und wurde mit ziemlicher Sicherheit von seinem Sohn Pieter dem Jüngeren angefertigt. Johannes predigt vor einer bunten Gesellschaft. Die Szene verweist auf eine Heckenpredigt, einen verbotenen reformierten Gottesdienst.
Pieter Bruegel der Ältere ist der flämische Maler des 16. Jahrhunderts par excellence. Was Sie hier sehen, ist eine sehr gute Kopie eines seiner Meisterwerke, Die Predigt Johannes des Täufers. Das Original hängt in Budapest.
Nach dem Evangelium verkündete Johannes das Kommen Jesu Christi. Hier predigt er im Wald vor einer bunten Gesellschaft, bei der es viel zu entdecken gibt. Bruegels Zeitgenossen dachten bei diesem Werk zweifellos an die verbotenen Gottesdienste von reformierten Predigern außerhalb der Stadtmauern, die sogenannten Heckenpredigten.
Viele von Bruegels Gemälden waren sofort sehr beliebt. Daher wurden sie nach seinem Tod 1569 vielfach kopiert, unter anderem von seinen talentierten Söhnen Jan und vor allem Pieter dem Jüngeren, der mit den Kopien Handel trieb. Auch von diesem Werk sind Dutzende Kopien bekannt. Die hiesige unterscheidet sich kaum vom Original. Dank einer Brandmarke auf einem der Bretter wissen wir, dass die Tafel zwischen 1618 und 1626 in Antwerpen hergestellt wurde. Bemalt wurde sie in der Werkstatt von Pieter Bruegel dem Jüngeren – möglicherweise jedoch von seinem jüngeren Bruder Jan.
Maria und ihr Sohn ruhen auf der Flucht nach Ägypten. Gepäck und Proviant liegen auf dem Boden. Joseph kommt mit einem Krug Wasser oder Wein. Die detaillierte Landschaft bietet links einen Blick auf einen großen Bauernhof und rechts in ein breites Tal in atmosphärischer Perspektive. Die Landschaft und die Figuren stammen von verschiedenen Malern, eine gängige Praxis im Antwerpen des 16. Jahrhunderts.
Darstellungen mit Johannes dem Täufer und Jesus im Kindesalter, mit oder ohne der Heiligen Familie, waren beliebt bei italienischen Renaissance-Malern wie Leonardo da Vinci, aber auch bei flämischen Künstlern wie Jan van Hemessen und Cornelis van Cleve. Mit seiner Hell-Dunkel-Technik und den weichen Konturen des sogenannten Sfumato ließ sich Van Cleve eindeutig von italienischen Vorbildern inspirieren.
Dieser Plan der mächtigen Dünenabtei in Koksijde zeugt von Pourbus‘ Tätigkeit als Landvermesser und Kartograph. Abgebildet sind der 25 Hektar große ummauerte Klosterkomplex, eine umfangreiche Legende und das verwendete Baumaterial. Als Pourbus den Plan 1580 fertigstellte, war die Abtei kurz zuvor in den Religionskriegen ausgeplündert worden. Der geplante Wiederaufbau wurde nie realisiert, denn die Mönche blieben in Brügge, wohin sie geflohen waren.
Dieser einzigartige Plan ist von Pieter Pourbus, von dem Sie im Museum noch weitere Werke sehen können. Pourbus war aktives Mitglied der Brügger Malerzunft und nahm am kulturellen Leben der Stadt teil. Er war nicht nur Maler, sondern auch Landvermesser und Kartograph – wie übrigens auch einige seiner Kollegen, darunter sein Schwiegervater Lancelot Blondeel.
Das Gemälde zeugt von seiner Vielseitigkeit: der quadratische Plan in Ölfarbe zeigt die mächtige Dünenabtei in Koksijde. Man könnte es ohne Weiteres auch ein farbiges Modell nennen, samt einer umfangreichen Legende. Sie sehen die Abtei aus der Vogelperspektive, mit den typischen Elementen, die allen großen Abteien gemeinsam sind: das eigentliche Klostergebäude, die Unterkünfte für Gäste, den Hof mit großer Scheune und in einiger Entfernung die Handwerksbetriebe. Die gesamte Anlage umfasst 25 Hektar und ist ummauert.
Der Plan hat einen bitteren Beigeschmack: zur Zeit seiner Entstehung tobten die Religionskriege, und als Pourbus den Plan 1580 nach zahlreichen Messungen und Beobachtungen vor Ort vollendet hatte, war die Abtei geplündert worden. Die Mönche hatten sich nach Brügge geflüchtet, außerdem hatte die Abtei mit Überschwemmungen zu kämpfen. Pourbus' Plan stellt die Situation vor 1578 dar und sollte dem geplanten Wiederaufbau der Abtei dienen. Auf der rechten Seite sehen Sie sogar Baumaterialien bereitliegen.
All dies macht Pourbus‘ Plan zu einer einzigartigen Quelle zu einer der wichtigsten mittelalterlichen Abteien Flanderns. Ein halbes Jahrhundert später ließen sich die Mönche dauerhaft in Brügge nieder.
Der Kriegsgott Mars tritt das Unwissen nieder, während ihm die Siegesgöttin Victoria einen Lorbeerkranz aufsetzt. Um sie herum die Personifizierungen der sieben Künste und Wissenschaften: links Grammatik (Buch), Geographie (Zirkel und Globus), Astronomie (Armillarsphäre), Rhetorik (Schlangenstab) und Dialektik (Papagei); rechts Musik (Schalmei) und Mathematik (Wachstafel). Die Malerei (Palette und Pinsel) gesellt sich soeben hinzu. Dass sie ihren Platz unter den Freien Künsten beansprucht, widerspiegelt eine im 16. Jahrhundert aktuelle Debatte.
Mit diesem Werk des Brügger Malers Antonius Claeissens befinden wir uns in Brügge. Im Hintergrund rechts sehen Sie das Stadtpanorama am Minnewater. Aus der Stadtmauer ragen Kanonenrohre. Die bergige Landschaft im Hintergrund links ist jedoch Fantasie. Und was hat es mit den acht jungen Frauen und drei Männern im Vordergrund auf sich? Und mit dem herbeifliegenden Engel?
Der Protagonist ist Mars, der römische Kriegsgott. Er setzt einem nackten Mann den Fuß auf die Brust und fesselt dessen Hände: Der Mann am Boden hat Eselsohren und stellt die Unwissenheit dar. Um die beiden herum sitzen und stehen Frauen in historischen Kostümen. Sie repräsentieren die sieben freien Künste und Wissenschaften: links die Grammatik, die in ein Buch schreibt, und die Geographie mit Zirkel und Globus. Die Astronomie hält eine Armillarsphäre hoch, und die Rhetorik oder Redekunst einen Schlangenstab. Die Dialektik oder Gesprächskunst ist an einem Papagei zu erkennen. Auf der rechten Seite spielt die Musik auf einer Schalmei, die Arithmetik schreibt auf einer Wachstafel.
Eine achte Frau betritt rechts zusammen mit einem Soldaten das Bild: die Malerei! Sie hält Palette und Pinsel in der Hand. Der Engel ist die Göttin des Sieges, Victoria. Sie ist dabei, Mars einen Lorbeerkranz aufzusetzen.
Was ist die verborgene Botschaft dieser Allegorie aus dem Jahr 1605? Dass das Praktizieren der Freien Künste besser ist als unwissend zu bleiben. Auch, dass der Malerei ein Platz unter den Freien Künsten zusteht. Mit anderen Worten: dass Maler keine Handwerker sind, sondern als Künstler anerkannt werden müssen! Im 16. Jahrhundert war dies eine intensiv geführte Debatte.